Das Thing

Vor dem Versuch der Monarchie und der Alleinherrschaft eines Einzelnen sowie vor dem Versuch der Demokratie und der Herrschaft der studierten Justiziare gab es eine Form der Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit, die demokratischer nicht sein könnte. Doch verdrängt und beseitigt durch Herrschaftsansprüche – wie Menschen in ihrem Größenwahn nun mal sind.

Es gab mal eine Zeit des Miteinander, in der nicht Adel, Herkunft, Macht und Geld entscheidend für die eigene Stimme waren – zumindest nicht ausschließlich. Weite Wege wurden in Kauf genommen um der Rechtsprechung und Rechtfindung beizuwohnen.

Die Rede ist vom Thing, der Ratsversammlung der nordischen Völker. Abgehalten wurden diese Versammlungen tagsüber und waren meist terminlich festgelegt auf bestimmte Mondphasen. Bei den alten germanischen Stämmen war es die wichtigste und mächtigste Institution – schon oder noch während in der „zivilisierten“ Welt schon Könige und Kaiser allein herrschaftlich „Recht“ festlegten und sprachen. Das Thing war rechtsprechend und Recht festlegend. Gesetze und Regeln wurden gemeinsam erlassen und waren dann auch bindend für die gesamte Gemeinschaft.

Ebenso wurden Streitigkeiten zwischen den Stämmen geklärt, gelegentlich auch durch ein Gottesurteil, den sogenannten „Holmgang“. Das Recht bei diesem Waffengang bekam der Sieger, der erste Blutstropfen auf der Erde war entscheidend. Gut, dass kennen wir auch aus der heutigen Zeit – der Sieger bekommt immer Recht, ob er es hat oder auch nicht. Trotz alledem trugen solche Streitigkeiten meist nur 2 Anwesende mit Waffengewalt aus – es wurde nicht gleich Pauschalverurteilungen gesetzt, ganze Stämme beschuldigt und danach ausgerottet. Zivilisation und Demokratie pur – auch wenn es auf den ersten Blick barbarisch anmuten mag.

forest-498151_640Ein Thing war für die Berechtigten eine Pflicht. Es durfte zwar nicht jeder teilnehmen, Kinder, Frauen, Sklaven und fremde waren davon ausgeschlossen. Allerdings durfte von den Berechtigten sich niemand vor dieser Pflicht drücken, keine Ausreden, keine anderweitigen Geschäfte waren wichtiger als das Thing.

Um die Sommersonnenwende herum gab es die große Versammlung, das „Allthing“. Die sogenannte jährliche große Beratung für wichtige Beschlüsse. Kleinere Dinge wie die Rechtsprechung war für die kleineren und regelmäßigen Thing’s übrig, so wurde bei diesen unter anderem Verbrecher verurteilt und die Strafe zeitnah vollzogen.

Thing-Plätze waren alle möglichen Orte unter freiem Himmel. Markante Stellen in der Landschaft, Hügelkuppen, Felsen oder Waldlichtungen, sogar kleine Inseln wurden dafür gern genutzt. Innerhalb des Thing-Platzes galt die Friedensregel. Zwar kamen alle Berechtigten mit voller Rüstung und mit allen möglichen Waffen, doch wurde die Unversehrtheit des Things anerkannt. Niemand griff je zu einer Zeit einer solchen Versammlung am bestimmten Ort einen anderen Teilnehmer an.

Jeder Teilnehmer konnte Punkte auf die Tagesordnung bringen, die dann von allen verhandelt wurden. Jeder durfte darüber sprechen und seine Meinung äußern. Auch wenn es dabei bierselig und laut zuging – die Entscheidung wurde erst am nächsten Tag gefällt. Eine Nacht drüber schlafen war eine wichtige Regel. Streite betrunken, entscheide nüchtern war nicht nur eine Weisheit, sondern auch eine Regel. Somit wurde ausgeschlossen, dass Entscheidungen Hals über Kopf beschlossen wurden und jeder die Möglichkeit hatte, noch einmal in Ruhe darüber nachzudenken.

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Eine demokratische Sache, bei der man sich überlegen sollte, diese wieder einzuführen. Allein diese Anwesenheitspflicht ist schon ein tolles Ding – wenn wir an den leeren Bundestag während wichtiger Entscheidungen denken. Und ein Holmgang zwischen zwei Staatspräsidenten würde nicht nur lustig aussehen, auch die Bevölkerung würde nicht unter den gegenseitigen Antipathien leiden. Und so bitterbös die Ironie dabei auch ist, so könnte man sich lästiger Dummschwätzer aus der Politik entledigen. Das würde den Gerichten einige Zeit ersparen.

Quellen:
Wikipedia
Fiona
Drangur
Prophyläen der Weltgeschichte – Band I.

 
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