Du musst!

Wir müssen immer so viel, doch das wenigste davon müssen wir wirklich. Wenn jemand muss, dann glaubt er, nur zu müssen. Das einzige, was wir als Lebewesen aus Fleisch und Blut – bei vielen ist man sich dabei nicht so sicher – müssen, ist sterben.

Wieviel von dem, was wir glauben zu müssen, müssen wir wirklich? Ich muss zum Arzt, ich muss einkaufen, ich muss mal wieder meine Familie besuchen, ich muss mal – auf Klo. Müssen müssen wir gar nichts, wir glauben es nur. Wir Menschen glauben, jedwede Tätigkeit, die wir tun, wäre so eine Art heilige Pflicht. Schwachsinn.

Ich muss zur Arbeit. Falsch. Ich gehe freiwillig zur Arbeit, um mir die Dinge zu leisten, von denen ich glaube, sie zu brauchen. Wenn ich müsste, dann wäre ich ein Sklave. Und selbst dann hätte ich noch die freie Entscheidung zwischen Strafe für die Arbeitsverweigerung oder der Arbeit. Wir Menschen haben immer irgendeine Wahl, wenn es um unser Leben und wie wir die Zeit dessen verbringen. Nur unser Lebensende, dass ist uns von der Natur vorgeschrieben. Nicht die Art und Weise, die bestimmen wir selbst und Kommissar Zufall. Nicht den Zeitpunkt, bei diesem gilt die gleiche Regel. Und dabei ist der Tod, wie verhasst er auch immer sein mag, wirklich tolerant und gnädig, aber auch gnadenlos. Wer sich für tolerant hält, der sollte sich am Tod orientieren. Der holt sich alle, ausnahmslos. Arm und Reich, Alt und Jung, Starke und Schwache – weiß, gelb, braun, schwarz… Ohne Rücksicht, ausnahmslos jeden. Das ist unser einziges „Muss“ – sterben.

Ich muss zum Arzt. Wieder falsch. Du willst es. Einerseits aus Angst vor den Folgen, wenn du es nicht tust mit eben der letztmöglichen – eben dem Tod. Nein. Es ist eher die Angst davor, Schmerzen zu erleiden. Nicht der Tod ist das Übel, nur der Weg dahin, das Sterben. Wer in seinem Glauben gefestigt ist, für den ist das kein Hindernis. Aber da wir mehr oder weniger nur an uns selbst glauben und an unser langes und glückliches Leben… Nein, wir müssen nicht zum Arzt. Wir gehen freiwillig, weil wir uns unserer Angst vor Schmerzen nicht stellen wollen.

Du musst – dieses tun, jenes tun. Wieder falsch. Wie gern zwingen wir dich jemand etwas zu tun, was er nicht will. Wie gern zwingen wir uns nicht nur selbst, etwas zu tun, sondern auch andere, weil wir selbst der Überzeugung sind, das es sein muss. Und die Überzeugung diktiert uns wieder jemand anderes, der uns sagt, das wir dieses oder jenes müssen. Die Kette setzt sich fort, immer weiter. diesem Kreislauf zu entfliehen ist nicht einfach, aber es kann – es muss nicht – durchaus funktionieren.

Du musst beim schreiben – diesen oder jenen Stil beachten. Ja nein, ist klar. Warum? Weil es alle so machen. Weil es ankommt. Weil damit die besten Ergebnisse erzielt werden. Aber bitte, wozu? Wenn beim schreiben der persönliche Stil der offiziellen Vorgabe weicht, dann ist das, was einen Schreiberling ausmacht, nicht mehr das, was er hervorbringt. Es ist immer dieser Zwang, etwas tun zu müssen, um anerkannt zu werden. Doch damit verrät man sich selbst, seine Ideale, seine Gedanken. Man muss nichts, man kann es machen, wenn der Wille dazu auch aus eigenem Antrieb kommt. Nicht mehr, nicht weniger.

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Das, was uns Menschen von den Tieren unterscheidet, ist die freie Entscheidung. Wir müssen nichts, aber können alles. Nur nutzen – nutzen tun wir das nicht? Weil wir glauben, etwas zu müssen, was wir im Grunde nicht wollen. Alles kann, nichts muss.

 
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