Frühlingsanfang – Die Fortsetzung

Schreib doch mal eine Fortsetzung zu der oder jener Geschichte. Ja klar, leichter gesagt als getan. Was, wenn die Geschichte in meinem Kopf einen Abschluss gefunden hat und der Rest dazu in der Phantasie des Lesers liegen soll? Verdammt noch. Doch halt, eine Alternative hätte ich dazu anzubieten. Lassen wir doch … Nanana, wir wollen doch nicht spoilern. Der Rest des Satzes folgt am Ende.

Der grausame Autor

Da war was. Und schon wieder. Er glaubte es einfach nicht, er war wieder bei Bewusstsein. Was war das bloß? Er versuchte einen Namen dafür zu finden und fand ihn auch. Schmerzen, richtig starke, bestialische Schmerzen. Im schwachen und diffusen Licht von fünf zur Hälfte runter gebraqnnten Kerzen sah er an sich herab. Ein Häufchen Elend, völlig blutverschmiert, mit heraus hängenden Därmen. Ein Laut des Schreckens kam über seine Lippen, gefolgt von einem Stöhnen. Der Schmerz war übermächtig. Das aber auch erst, als er sah, woher dieser kommen musste. Er stopfte die Därme wieder in seinen aufgeschlitzten Bauch zurück und versuchte, sie mit der dagegen gepressten Hand auch dort halten. Das Blut, sein Blut, um ihn herum verteilt, das sich mit auf den Boden gezeichneten Strichen vermischt hatte und diese verschmierte, das konnte er allerdings nicht wieder in sich hinein drücken. Ausserdem war ein Teil davon schon angetrocknet.

„Scheisse!“ brüllte er seine Schmerzen hinaus, seine Qual und die Erkenntnis, nicht mehr wirklich zu leben, sondern einfach nur noch zu siechen. Welche Macht ihn auch am Leben hielt, sie war grausam. Bestialisch. Wie der, der ihm das angetan hatte. Doch für diesen fand er keinen Namen. Nicht einmal für sich selbst. Das war ebenfalls ein Brocken, an dem er zu kauen hatte. Ein namenloses Opfer, mitten im Irgendwo liegend mit aufgeschlitztem Bauch, quasi blutleer und doch am Leben. Und mit Schmerzen. Doch welche Tortur noch folgen sollte, dass wollte er sich nicht ausmalen. War er zum Untoten geworden, der bis in alle Ewigkeit auf der Erde wandeln würde und wehrlose Menschen angriff? Er wusste es nicht. Doch die Tatsache, dass er noch denken konnte, liess ihn dieses vergessen. Nein, er war kein Zombie. Und doch wusste er einfach nicht, wie er in diese Lage gekommen war, warum und vor allem, wer er war.

Ein leises Kichern liess seinen Kopf herum fahren. Und dann sah er ihn da an seinem Kopfende sitzen, im Schneidersitz mit dem noch blutigen Messer in der Hand, die auf seinen Knien ruhte. „Hast du mich so zugerichtet, du Schwein?“ Wieder liess ein leises Kichern ihn erschauern. Der hatte tatsächlich die Ruhe weg und amüsierte sich auch noch. Bestialisch! „Ich werde dich…“ Mit diesen Worten wollte er sich auf seinen Killer stürzen, doch er kam einfach nicht hoch. Die Muskeln verweigerten ihm seinen Dienst. „Denk dran, du hast kaum noch Blut in dir. Theoretisch müsstest du tot sein, doch er hält dich noch am Leben. Übrigens, nenn mich einfach Roald.“ Verdutzt blickte er zu dem Killer. „Kannst du mir wenigstens sagen, wer ich bin, wie ich heisse und warum du mich abschlachtest wie ein Schwein?“ kam es gepresst aus ihm heraus. Doch Roald schüttelte seinen Kopf. „Keine Ahnung. Ich wurde dazu gezwungen. Ich wurde dafür geschaffen, wie du. Doch einen Namen für dich hat ER mir nicht mitgeteilt.“ Roald sah ihn fast bedauernd an. Doch er, der Namenlose, konnte sich damit einfach nicht zufrieden geben. „Was weißt du dann“. Roald ließ wieder ein Grinsen blicken. „Wir beide existieren gar nicht.“ Der Namenlose war sichtlich überrascht. „Was?“ Roald nickte nur. „das musst du mir mal erklären, da komme ich nicht mit. Und hast du nicht ein wenig Verbandszeug?“ Diesmal schüttelte Roald seinen Kopf. „Verbandszeug ist einfach nicht vorgesehen“ meinte er nur lapidar.

Eine Sekunde des Schweigens setzte ein und wurde zur Minute, zu Minuten. Nur immer wieder kurz unterbrochen von einem Stöhnen des Namenlosen, die Schmerzen hatten die Frechheit, einfach nicht abzuklingen. wie sollten sie auch? Ein aufgeschlitzter Bauch ist nicht gerade ein Zuckerschlecken und der Schock hatte es eilig, der war schon durch.

„Jetzt erkläre mir endlich, was du weißt“ stöhnte der Namenlose. Roald zuckte die Schultern. „Ich will ja mal nicht so sein. Meinen Spaß hatte ich schon, SEIN Spaß hält noch an.“ Der Namenlos seufzte, der Messermeuchler hatte wirklich die Ruhe weg, während sein Leben wie die Kerzen langsam zu erlöschen schien. „Nun rede schon, bitte, wenn ich betteln soll, dann auch damit, aber sag mir bitte, bitte, bitte endlich, was hier los ist.“ Und so begann Roald zu erzählen, nicht weil er es wollte oder das Betteln sein Herz aus Stein erweichen schien, sondern weil ER es so wollte:

Bild aus Pixabay.

Bild aus Pixabay.

„Also pass auf, du namenloses Opfer meiner, oder eher SEINER brutalen Gedanken. Ist dir schon einmal aufgefallen, dass in unserer Geschichte es einen Allwissenden gibt, der jede unserer Taten nicht nur wiedergeben, sondern auch voraussehen oder bestimmen kann?“ Der Namenlose schüttelte schwach seinen Kopf und Roald fuhr fort: „Der Allwisende, also ER, ist der AUTOR unserer Geschichte. ER hat mich zum Mörder gemacht, aus welchem Grund auch immer und Dich mir als Opfer zugeteilt. Wer du bist – keine Ahnung. Warum es so sein soll – keine Ahnung. Nur der AUTOR weiß es und er gibt uns die Einzelheiten nicht preis, er lässt uns agieren und reagieren, mich meucheln und dich hoffentlich bald sterben. Er hat einfach aus Jux eine Geschichte geschrieben und wir beide sind die handelnden Personen, die einzigen Personen. Das hat ER mir zumindest verraten, in diesem Moment, in dem ich dir dies erzähle. Und wie es weiter geht, das weiß ebenfalls nur ER. Vielleicht zeigt ER Gnade und lässt dich schnell sterben oder auch nicht. Und ich bleibe, weil ER es so will, einfach weiter sitzen und schaue zu.“

* * * * *

Und weil ich ein sadistisches Arschloch bin, gönne ich dem Namenlosen den Tod einfach noch nicht und lasse ihn weiter leiden. Vielleicht erlöst ihn jemand, vielleicht auch nicht. Roald bleibt ebenfalls so lange sitzen, bis der Namenlose endlich tot ist und seinen Frieden gefunden hat. Von mir bekommt er den erst, wenn Frieden auf der Welt ist. Und solange höre ich mir ein wenig Mozart an, genieße meinen Feierabend und überlege mir, was ich demnächst noch mit wem auch immer anstelle – in der Welt meiner Phantasie.

trennlinie

… die teilgenommenen Figuren doch selbst ein Resümee ziehen. Ätsch. Wir Autoren können wirklich gnadenlos und grausam sein.

 
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