Frühlingsanfang – Das Interview

Der Autor im Gespräch, mit einer seiner Figuren. Lief mir doch letztens wieder ein Mörder durch die Synapsen und da dachte ich mir, vielleicht sollte ich ihm mal ein paar dämliche Fragen stellen. Der hat sogar geantwortet. Ja, so ist das im morgendlichen Wahn, wenn man versucht, sein Ich mit dem Rest im Kopf sortiert zu bekommen.

Ich: Hallo Roald, nett von Dir, dass du mir ein wenig deiner mörderischen Zeit gönnst für ein Gespräch unter Wahnsinnigen.
Roald: Ich würde ja sagen: Gerne. Aber erstens werde ich von Dir zu allem möglichen gezwungen und zweitens bleibt mir sowieso keine andere Wahl, als an deinen wahnsinnigen Experimenten teilzunehmen.
Ich: Ich bin nicht wahnsinniger als du. Du bist schließlich ein Killer und ich ein Irrer, der sich solche irren Dinge ausdenkt.
Roald: Genau, du bist irre. Mehr aber auch nicht…
Ich: Moment mal, so war das jetzt nicht geplant, ich wollte mit Dir über Gemeinsamkeiten, Verschiedenheiten und den alltäglichen Wahnsinn palavern und mich nicht von dir beleidigen lassen.
Roald: Was soll ich sonst machen? Schließlich bin ich ein Produkt Deiner Phantasie. Ich bin also so, wie du dir mich gedacht hast.
Ich: Na super, also doch irre. Sowas kommt aus meinen Synapsen. Ich würde mich vielleicht selbst einweisen.
Roald: Nix da. Die Psychopathen, also Psychotheradingens doktern mich sonst noch aus dir raus und dann wird meine Existenz noch ausgelöscht.
Ich: Das wäre nicht schlimm, deine Geschichte ist ja schon geschrieben.
Roald: Nicht schlimm? Wie würdest du dich an meiner Stelle fühlen und außerdem war es nur eine kurze Kurzgeschichte…
Ich: Aber mit Fortsetzung.
Roald: Fortsetzung? Das war keine Fortsetzung der Geschichte, du hast nur einen Moment eingefroren und uns unsere Rollen analysieren lassen. Das war Nonsens, Humbug, aber keine Fortsetzung.
Ich: Jetzt will mir schon eine Figur meiner Phantasie erklären, was ich zu denken habe.
Roald: Und damit ja du selbst, weil ich bin ja deine Phantasie.
Ich: Papperlapapp. Spitzfindigkeiten. Aber davon mal ab: Gefällt dir die Rolle, die ich dir gegeben habe?
Roald: Quatsch. Ich durfte den Mord nicht einmal ausführen, weil du das der Phantasie des Lesers überlassen wolltest. Dann sitze ich in der sogenannten Fortsetzung mit meinem Opfer herum und wir palavern. Davon mal abgesehen: ich hab nur einen Vornamen, keine Eigenschaften, kein Aussehen – keine wirkliche Persönlichkeit.
Ich: Brauchtest du in deiner Rolle ja nicht. Du solltest nur jemand aufschlitzen.
Roald: Ich sagte doch schon, nicht einmal das durfte ich ausführen.
Ich: Nun beschwer dich nicht, sei froh, dass du überhaupt existieren darfst und eine kleine Rolle spielen durftest.
Roald: Wenn ich wenigstens einen ordentlichen Spleen bekommen hätte. Der Präsident in den Tributen von Panem hatte seinen Rosentick. Und ich? Nur ein paar dämliche Eigenschaften von dir bekommen. Und einen kurzen Auftritt. Das ist so sinnlos. Ich wäre viel lieber eine mehr eigenständige Figur, mit eigenen Spleens und viel mehr Inhalt und Charakter.
Ich: Sonst noch ein paar Wünsche?
Roald: Das reicht schon. Ich will ja nicht übertreiben, wie du es immer tust.
Ich: Bevor jetzt noch mehr solche Beleidigungen, die mich im Grunde ja gar nicht interessieren…
Roald: Aber ich könnte vielleicht zu einer Psychose von dir werden, zu einem Teil deiner Persönlichkeit.
Ich: Da denke du nicht dran. Niemals! Tschüßn, du wirst aus meinem Speicher gelöscht…
Roald: Das glaubst auch nur so… Hehe..

trennlinie

Nein, er hat weder bewusst noch unbewusst Oberhand bekommen. Ich muß nur aufpassen, dass die Figuren, die ich gelegentlich erschaffe, nicht mich irgendwann übernehmen…

 
This entry was posted in Gedanken gedacht, Geschwafel, Kurzgeschichten, menschlicher Irrsinn, Morgendlicher Wahnsinn, Persönliches, Schwarzer Humor, Sprache und Schrift and tagged , , , , , . Bookmark the permalink.

Comments are closed.