Schreibübung: Der Kobold – Beschreibung und Gespräche

Klein, gedrungen, aber mit äußerst wachsamen Augen und einem listigen Blick schaut er mich an. Unter der grauen Kappe schauen noch ein paar rote Locken hervor. Überhaupt war die ganze Gestalt irgendwie grau gekleidet. Dabei stellt man sich Kobolde doch immer irgendwie als grüne Männchen vor. „Alles Aberglaube. Nur weil sich einer mal grün gezeigt hat, heisst das nicht, das wir alle grün sind. Dass ihr Menschen immer in Schubladen denken müsst.“ Schelmisch grinst er mich an und weidet sich an meinem verwunderten Blick, doch liefert die Erklärung gleich hinterher „Übrigens, was ihr bisher nicht wusstet, wir können Gedanken lesen. Zufrieden mit der Musterung meinerseits?“

Ich muss irgendwie noch dämlicher geglotzt haben, denn nun bricht er in Gelächter aus. „Danke auch fürs auslachen“ war meine mürrische Erwiderung. Der erste Kobold, den ich sehe und der macht sich gleich über mich lustig. Das geht mir ja sowas von gegen den Strich. Vor allem, weil ich die Menschen deswegen meide und dann macht der Kobold da weiter. Schöner kann ein Montag nicht verlaufen. Heute ist doch Montag, oder? Grübelnd starre ich den Kobold an. Der liest wohl immernoch meine Gedanken und nickt nun etwas ernster. Tolles Gespräch mit gegenseitigem anschweigen. Das scheint er auch verstanden zu haben und fängt gleich darauf an, mir weiter ein zu Ohr abzukauen „Nun mal keine Panik, du langes Elend. Wir Kobolde tauchen nur auf, wenn wir es wollen und wenn der Mensch es uns wert ist.“ Da möchte ich ja glatt in Freudentränen ausbrechen. „Und wie komme ich zu der zweifelhaften Ehre?“ war meine lapidare Antwort.

dwarf-223314_640Peng. Das hat gesessen. Der Kobold glotzt jetzt seinerseits irgendwie melodramatisch unter seiner Kappe hervor. Schließlich nimmt er diese ab und zum Vorschein kommen blonde Haare mit einem leichten Silberstich, an denen er sich auch gleich kratzt. „Ja wenn ich das wüßte“ sinniert er, während die Kappe wieder auf dem Kopf platziert wird. „Wenn ich auftauche, ist es der Mensch einfach irgendwie wert. Warum auch immer, es ist einfach so.“ Na Prima, ein Kobold, der nicht weiß, warum er mir seine Aufwartung darbietet. Und dann noch falsche Haare an seine Mütze geklebt hat. Die Welt ist verrückt, wann kommen die Einhörner? Schweigend starren wir beide uns an. Da er ja eh meine Gedanken lesen kann, spare ich mir einfach die Mühe, diese noch in Worte zu packen und aus dem Mund zu werfen. Komischer Kobold. in Märchen, Sagen und Geschichten hatten die irgendwie immer einen Topf mit Gold dabei, oder? „Nene, das sind nur Sagen und Fabeln. Unser Reichtum liegt zwar in der Erde, aber das hat weder was mit Gold zu tun noch würden wir uns diesen abnehmen lassen und fangen kann uns schon gar keiner.“ Sprach es und schaute mich weiter grinsend an. „Ok, und worin besteht euer Reichtum dann?“ Wenn er mir schon die Vorlage und eine halbe Erklärung gibt, dann möchte ich auch die ganze hören. Verdammt, ich habe es laut gesprochen. Eigentlich wollte ich doch seine Gedankenleserei weiter austesten. Naja, zu irgendwas müssen ja seine Spitzohren gut sein.

Der Kobold setzt sich neben mich und seufzt. „Ihr immer mit euren Geschichten und dem Aberglauben“. So direkt neben mir sitzend kommt er mir gar nicht mehr so kurz vor, aber das ist ja auch Aberglaube. „Richtig“ bestätigt er mir laut gedacht den leise gedachten Gedanken. „Eure Geschichten und Sagen sind nicht mehr oder weniger wie eure Religion eine reine Interpretation vom Hörensagen. Die Welt der Magie und Fabeln, ja sie gibt es. Aber ganz anders, als ihr sie euch vorstellt. Eure Vorstellungskraft ist immer nur beschränkt von eurem Horizont, ihr wagt einfach nicht, über den Tellerrand hinauszusehen. Und so verdreht ihr die Wirklichkeit so, wie sie euch passt.“ Na prima, nun hält er mir schon wieder einen halben Vortrag, auch wenn sein Gesabbel irgendwie schon Sinn ergibt. Natürlich sind die Religionen nur irgendwie eine Auffassung von dem, was ihr Gründer erlebt hat und wie er es interpretierte. Aber warum mir das der Kobold noch einmal auf das Brot schmieren muss? „Siehst du, das ist unser Schatz. Unser Wissen um eure Geschichte, um eure Legenden. Schließlich leben wir schon ewig, seit die Welten miteinander verschmolzen sind, eure und unsere. Lust auf einen kleinen Spaziergang? Ich zeige dir einen Teil deiner und meiner Welt, die zusammengehören, den ihr aber nicht erkennt, weil ihr blind rumlatscht“ Und scheint er langsam in Fahrt zu kommen mit seiner Mitteilsamkeit. „Einige Menschen haben es schon erkannt, das System mit den Leylinien und den Verknüpfungen, den Orten, die ihr als magische Zentren kennt. Da wo eure Ahnen einst Kultstätten errichtet hatten und eure Religionen diese mit Tempeln überlagert haben. Das sind die Verbindungen von eurer und unserer Welt. Und eine dieser Verbindungen liegt ganz in der Nähe.“ Nun nimmt er mich an die Hand und wir stapfen los. Besser, ich stapfe und er gleitet quasi nur so über den Boden dahin. Geräuschlos, nur sein Gesabbel geht weiter, in dem er einen Vortrag über die Verbindungen unserer Welten hält.

Eine gefühlte Ewigkeit und den Ausführungen nach einen ganzen Band Wissen lexikonischer Art stehen wir vor einem Hügelgrab. „Klar, ihr nennt es Hügelgrab. Für uns ist es eines von vielen Portalen zwischen den Welten. Komm. Es kann dir nichts passieren.“ Er zerrt mich nun regelrecht in das Innere – und mir wird schwarz vor den Augen…

* * * * *

Als ich wieder zu mir komme, sitze ich immer noch an meinem Schreibtisch, die Zigarette ist mittlerweile ausgegangen und hat eine schöne Brandblase am Finger hinterlassen. Nicht einmal das habe ich gemerkt. Muss wohl eine gute Sitzung gewesen sein, so völlig in Trance versunken. Jaja, die Kobolde. Alte Plappermäuler. Da vergeht schon mal die Zeit wie im Fluge ….

 
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