Kirche und Religion I.

Ich hatte das Glück, in meiner Jugend ohne Religion aufzuwachsen. Ich wurde weder von meiner Familie in religiösen Dogmen geschult noch in eine Art religiöse Gemeinschaft gesteckt – das erlaubt mir einen objektiveren Blick.

Auch wenn ich nicht religiös erzogen wurde, so stehen dennoch die wichtigsten Bücher der Religionen in meinem Bücherregal. Die Bibel hat mich schon seit frühester Jugend begleitet, auch wenn ich mich nicht aus religiösen Gründen damit beschäftige, sondern aus dem Ehrgeiz heraus, die christliche Religion verstehen zu wollen. Gleiches geschieht mit dem Talmud und dem Koran, der Tora und diversen Heftchen mit buddhistischen Lehren. Wobei letztere faszinierender sind als alles, was Judentum, Christentum und Islam zu bieten haben.

Der Buddhismus allein stellt niemanden höher als er ist. Weder gibt es Gott noch den Teufel, mit denen die Menschen eingeschüchtert werden. Das muss allerdings aber auch nicht heißen, dass ich nicht an überirdische Mächte glaube. Aber das hat nichts mit dem hier zu tun. Doch wenn ich hier von den religiösen Büchern schwadroniere, dann sind es für mich nur einfache Nachschlagewerke, zumindest bessere Märchenbücher. Die wahre Spiritualität lässt sich nicht in Worte fassen, nicht in Formeln klemmen und schon gar nicht unter ein Dach verbannen.

Religion ist nicht mehr oder minder der Versuch, Menschen der gleichen Glaubensrichtung zu sammeln – der Mensch war schon immer und wird es immer sein – ein Gemeinschaftswesen. Von Ausnahmen natürlich abzusehen. Wenn ich mit den Religionen befasse, dann wird es tiefer gehend immer irgendwie die christliche Religion sein, das Judentum zwangsläufig mit und erst seit wenigen Jahren der Islam. Aber Letzterer auch nur, weil die Religion wieder mit allen Mitteln gepuscht wird – bis hin zur Waffengewalt. Es gibt derer zwei Religionen, die ihre Mitglieder mithilfe der Missionierung sammeln – von allein und freiwillig würden die wenigsten sich anschließen. Es ist immer ein auslösender Aspekt vorhanden, sei es eine Rede oder eine Schrift, um das ungläubige Lamm zu fangen und in die Herde zu quetschen.

Stell Dir vor, es sagt jemand zu dir: Es gibt einen Gott, der alles erschaffen hat, der jeden sieht und auch jeden bestraft. Natürlich auch die Netten und Lieben belohnt – doch wie heißt es so schön: Wer frei von Sünde sei, der werfe den ersten Stein. Es werden die Wenigsten sein. Doch warum sollte ich mich als spiritueller, aber ungläubiger Mensch einer solchen Religion anschließen? Einer Religion, die auf dem Prinzip von Gut und Böse aufbaut, wobei sie selbst festlegt, was was ist?

„Religion ist Opium fürs Volk.“ Was Marx schon für über hundert Jahren titulierte, hab ich für mich selbst entdeckt, sehr früh schon – ohne diesen Ausspruch davor vernommen zu haben. Ich würde diesen Satz sogar erweitern: „Religion ist Opium fürs Volk und nimmt diesem das Denken ab.“ Punkt.

Man sollte ja meinen, gemessen an der Zahl der Kirchenaustritte, dass das Volk das Hirn wieder einschaltet. Bedingt wäre dem zuzustimmen. Doch es gibt eine neue Religion, der sich die Wenigsten bewusst sind: die Spaßgesellschaft. Konsum und die Hingabe an den Spaß im Leben. Wer möchte sich schon dem Ernst des Lebens und der Spiritualität widmen, wenn es gilt, das Leben zu genießen? Auf der Jagd von Kick zu Kick, immer schneller, besser, großartiger. Das ist kein Aufruf, alles sein zu lassen. Dafür aber der Denkanstoß, über das eigene Leben einmal nachzudenken.

 
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